Fortsetzung zu Grundgedanken
Die neuronalen Zentren, von denen unsere gefühlsmäßigen Reaktionen wie Angst, Freude, Liebe oder Rivalität gesteuert werden, liegen im Zwischenhirn und
arbeiten zunächst einmal autonom und unbewusst. Unser bewusstes Denken, das vorzugsweise vom Frontallappen des Großhirns ausgeht, hat darauf keinen direkten, bestimmenden Einfluss. Wir können weder per vernünftigem
Beschluss jemanden lieben, noch durch rationales Überlegen eine Angst abschalten. Obwohl dies, gewissermaßen bauplanbedingt, im Wesen des Menschen liegt, scheint sich die Menschheit mit dieser Tatsache schwer zu tun
und kämpft sowohl im Alltagsbewusstsein als auch in der Philosophie dagegen an. Unser immer noch verbreitetes abendländischen Menschenbild entspricht dem Modell vom Reiter auf dem Pferd: Der Geist oder das Denken
als Reiter steuert den Körper mit seinen Gefühlen. Spätestens seit Freud, in den letzten Jahrzehnten untermauert durch die Erkenntnisse der Neurowissenschaften, wissen wir, dass eher das Gegenteil der Fall ist: Im
Wechselspiel zwischen bewusstem Denken und körpernahen Gefühlen haben letztere das größere Gewicht.
Dies ist vor allem dann schwer zu akzeptieren, wenn unbewusste psychische Symptome wie Ängste, Süchte, Zwangssymptome oder psychisch bedingte Schmerzen
unsere Handlungsfreiheit einschränken und unsere Lebensqualität mindern. Das Scheitern der Versuche, solche Symptome willentlich „abzuschalten“, wird von den Betroffenen oft als ein persönliches Versagen oder eine
charakterliche Schwäche empfunden – was dann den Leidensdruck noch verstärkt.
Der Einfluss, den unser bewusstes Denken auf diese Prozesse hat, ist eher gering und indirekt. Um ihn dennoch nutzen zu können – und dies ist die einzige
Chance zur Heilung, wenn Psychopharmaka oder kurzfristiges, bewusstes Neulernen nicht den gewünschten Erfolg bringen –, arbeite ich als Psychotherapeut daran, zunächst einmal die Kommunikation zwischen den bewussten
und unbewussten Prozessen zu verbessern. Selbsterkenntnis, Selbstverstehen und Selbstannahme sind die ersten und grundlegenden Schritte, um nachfolgend für die hinter der Symptomatik stehenden Traumen, Frustrationen
und Konflikte eine befriedigende und symptomfreie Lösung zu finden.
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